April 2003 Weimar und das KZ Buchenwald
an einem Tag. Ein Spagat?
Die Schüler/innen der 10. Klasse haben vorher folgendes über Weimar erfahren: Eine
deutsche Kleinstadt mit großem Namen.
Natürlich
nicht die ganze Dichtung und Wahrheit über deren Geschichte.
Der Name
steht für vieles: die deutsche Klassik (eine Literaturepoche von 1786 -1832)
mit Goethe und Schiller als ihre bekanntesten Vertreter und als
wegweisende Kunst: Bauhaus. Die Weimarer Republik
(1919 - 1933) und die Willkür eines
Nationalsozialismus mit dem fünf Kilometer entfernten KZ Buchenwald am Ende. Nachkriegsdeutschland
und DDR, Fehlanzeige. Dieses Unterrichtsthema kommt erst in ca. vier Wochen.
Nach dem Mauerfall wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Weimar wurde 1999
europäische Kulturhauptstadt. Und das, das sieht man wahrlich.
"Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein." Faust I.
Weimar ein Schmuckkästchen: ein herausgeputztes, quirliges Städtchen (60 000
Einwohner) mit einer Ansammlung gelber, rosafarbener, blauer, weinroter
und cremfarbener Häuser, mit einem Stilgemisch aus Fachwerk,
Renaissance, Neugotik, Rokoko, Gründerzeit, Bauhaus und im
Außenbereich reichlich Aufschwung Ost.
Goethe, apropos Goethe, d.h. klassische Texte im Deutschunterricht. Die Lektüre
von so genannten klassischen Schullektüren ist nicht immer eine Quelle
reiner Freude - weder für Schüler/innen und Lehrer.
Keine Frage, es
kann hier nicht der Ort sein, dass exorbitante Desinteresse meiner
Schüler/innen (der heutigen Schülergeneration) an dem wohl genialsten
Dichter der Deutschen, breit darzustellen.
Nur soweit: Vergessen sollte man nicht, für welches Publikum die
klassischen Texte ursprünglich geschrieben sind, nämlich für ein hoch
gebildetes Publikum, aber nicht für unsere Schüler der
Mittelstufe. Goethe, Schiller, Kleist, keiner dieser Autoren hat auch
nur im Traum daran gedacht, dass seine Werke später einmal als
Schullektüre für Kinder und Jugendliche verwendet würden.
Die derzeitigen Schulausgaben ignorieren, weil sie einen Lesefluss und
Textverständnis nicht zulassen, derzeit noch die sprachlichen Probleme
unserer Schüler mit den klassischen Texten.
Ich erinnere mich an eine
Unterrichtsstunde mit der 10b. Kleist: "Das Erdbeben in
Chili". Eine Schülerin, eigentlich zu den besten gehörend, hatte
sich überhaupt nicht beteiligt. Nach der Stunde fragte ich: "Warum
hast du dich überhaupt nicht beteiligt, Marlena? - "Ich habe
überhaupt nichts verstanden!" - "Der Text ist doch nicht auf
Latein geschrieben!" - "Nein! Aber genau so schwer zu
verstehen!"
Die neue Lektürereihe von Cornelsen: "einfach
klassisch" geht dankenswerter Weise einen entscheidenden
Schritt: Die klassischen Texte sind in modernes Deutsch
"übersetzt".
Zurück zu Weimar
Das damalige deutsche Gebiet war ein Flickenteppich aus kleinen und
kleinsten Landgrafen- Herzog- und Fürstentümer. Die Herrscher der
Staats-Winzlinge fielen gottlob nicht kriegerisch übereinander her,
sondern versuchten sich gegenseitig mit ihren Schlössern und
Residenzstädten zu imponieren. Weiterhin gründeten die Herrscher der
Zwergstaaten Bibliotheken, Universitäten, Theater und Orchester und
schmückten sich mit so großen Geistern wie Goethe.
So auch Anna Amalia Herzogin
von Sachsen-Weimar-Eisenach, als Regentin von 1758 - 1775 (Absolutismus)
für ihren Sohn Karl August, hatte eine Schwäche für kluge Männer.
Es kamen alle, wenn Amalia rief. Goethe (er lebte fast fünfzig Jahre in
Weimar), Schiller, Wieland, Herder und die "sonstige"
damalige deutsche Geisteselite.
Auch wir kamen, zwar nicht gerade in kollektiver Andacht und Bildungsdemut
und stellten uns vor das Goethe-Schiller-Denkmal auf dem Theaterplatz
(Deutsches Nationaltheater: Tagungsort des deutschen Parlaments in den
Anfängen der Weimarer Republik 1919 - 1933) auf. Leider reichte die Zeit nicht
dazu, in das Goethehaus oder zum Gartenhaus des Meisters
zu pilgern. Die Zeit reichte lediglich zwischen Einkaufsbummlern,
Touristen und vielen jungen deutschen Leuten¹ vorbei am Nachbau des Niketempels der
Akropolis in Athen, dem Bauhaus-Museum, dem cremfarben getünchten
Schiller-Museum und Goethes-Wohnhaus durch den überschaubaren
Innenstadtbereich zu schlendern. Leider konnten wir der "Fürstengruft",
in der Goethes und Schillers² Gebeine
liegen, keine Aufwartung machen.
zu 1 Probleme der Zuwanderung, Zuwanderung als Problem scheint es
hier nicht zu geben.
zu 2 Nachtrag vom 05. Oktober 2006 (Wiesbadener Kurier) Schillers
Schädel auf dem Prüfstand
"Zwar weiß ich viel, doch möcht' ich alles wissen." Faust I .
Einen hab' ich noch: "Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem
Zuknöpfen nicht zu Rande." Weiter heißt es da: "Weiß ich,
womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden
kann."
aus: Sprüche in Prosa
Eine neuere Variante von mir von diesem Spruch lautet: "Sagen Sie
mir die Belegung ihrer Fernbedienung für den Fernseher und ich sagen
Ihnen, was aus Ihrer Tochter/Ihrem Sohn werden kann." Ja ich weiß,
die Grenze der Ironie ist leicht überschritten, es geht schon leicht in
den Sarkasmus über, aber ...
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Andreas, kulturbeflissen, bereitet sich auf Weimar vor.
Dominika bereitete sich eher mental vor.
Bloß
Schiller: 2005
begehen wir seinen 200. Todestag.
www.schillerjahr2005.de
www.friedrichschiller2005.de
Wir, voller Bildungsdemut, vor dem Goethe-Schiller-Denkmal von Ernst
Rietschel.
aus: Sigrid Damm, 'Das Leben des Friedrich Schiller'
"Weimar. Das Denkmal der beiden Freunde auf dem Platz vor dem Theater.
Der Nacken wird mir steif. Man weiß um den unterschiedlichen Körperbau der beiden,
schlank der eine,
beleibt der andere, Schiller hat Goethe zudem um Haupteslänge überragt.
Aber gleich groß stehen sie nebeneinander. Der Größenunterschied wird
negiert. Einer Gerechtigkeit wegen? Welcher? Die Anmaßung, dem einen,
Goethe, den Lorbeerkranz in die Hand zu geben, den anderen nur danach
greifen, ihn den Lorbeer nicht einmal berühren zu lassen. Die
schulmeisterliche Geste, die man Goethe zugedacht hat, gleichsam
beruhigend legt er die Hand auf die Schultern des Freundes. Schiller
hat sein Gesicht abgewandt. Sie stehen beziehungslos nebeneinander. Das
Offizielle, Unpersönliche; die klassische Kälte des Standbildes."
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