Meine Musiksozialisation
Wenn, sagen wir Roy Black, auf Nummer 'Eins' der hessischen
Schlagerparade stand, dann nahm der Moderator Partei für die wilde
Beatmusik aus England und Amerika und machte sich lustig über den spießigen deutschen
Schlager. Hätte man
die Hörer dieser Musik damals gefragt, nach dem 'warum', sie
hätten sicherlich gesagt:
"Dat gefällt mir."
Jedenfalls hat diese Sendung meine
Musiksozialisation mitbestimmt und wahrscheinlich auch nicht nur
meine.
Ich, der 16-jährige Bub ließ sich die Haare wachsen, sehr zur Unbill
meiner Eltern und ein Lied/Song der "Animals" bekam eine wirkliche
Bedeutung und nicht nur deshalb, weil ich etwas besser Englisch konnte.
"Wir müssen hier raus und es gibt ein
besseres Leben und wenn wir hier nicht raus kommen, dann bleiben wir bis
ans Ende unserer Tage in dieser kleinen Kneipe am Ende der Straße."
- "We gotta get out of this place."
Nein, keine Frage, dieses Lied war nicht der unmittelbare Anlass mehr
für die eigene Bildung, für die Zukunft zu tun, aber ich habe
verstanden: Dies beschriebene Leben schien mir nicht erstrebenswert.
Einen Song mit einer ähnlichen Diktion hörte ich 1971 auf deutsch,
gesungen von Rio Reiser dem Frontmann der
TON STEINE SCHERBEN "Ich will
nicht werden, was mein Alter ist." Kurz nach Rio Reisers frühem
Tod 1996 (im Alter von 46 Jahren)haben sich einige Freunde, Weggefährten und Angehörige
vorgenommen, den "Rio-Reiser-Songpreis" für junge, noch nicht entdeckte
Talente auszuloben, die den weltoffenen und humanistischen Gedanken von
Rio Reiser durch ihre Songs weitertragen.
Dies war auch die Zeit der
Friedensmärsche,
Ostermärsche, Schweigemärsche. Überhaupt diese zauselige Zeit. [...]
Das war auch die Zeit, in der ich zum Entsetzen meines Vaters einen
Bundeswehrparka trug, weil man gegen den Krieg in Vietnam war.
Nun,
lange Haare hatten dann alle, auch ich und die Leute in der kleinsten Kneipe und
sogar deutsche Polizisten und die deutsche Fußballnationalmannschaft hatte lange Haare.
Die Beatmusik war Popmusik geworden und
dudelte den ganzen Tag im Radio und ungefähr 1973 oder 1974 habe ich
einen Teil meiner Schallplattensammlung auf dem Offenbacher Flohmarkt
verkauft. Auch die Animals, leider.
Nein, abgeschlossen habe ich nicht mit der Beatmusik. Die Klassiker
besitze ich heute noch: The Beatles, die rollenden Steine ... und die Scherben natürlich auch noch. Wir
schreiben den 09. Januar 2013, Rio Reiser wäre 63 Jahre geworden.
Nochmals nein, 'Punk' oder später 'New Wave' gehörten (1977 - 1978) dann
nicht mehr zu meiner musikalischen Sozialisation. Da war ich schon zu alt.
Noch später hat mit Techno und dem Gangster-Hip-Hop es die Popmusik doch
tatsächlich geschafft, bei mir auf komplettes Unverständnis zu stoßen.
Schade. Überhaupt, die vielen verschiedenen Stile und Genres -
Ich merke es bei meinen Schülern, so viele Fraktionierungen. Ein
gemeinsames Lebensgefühl wie in früheren Generationen lässt sich nicht
mehr feststellen.
Aber diese
Lady Gaga
[...],
die ist ganz okay und der Song über den Regenschirm (Umbrella von
Rihanna) ebenso. [...]
Festsaal des Offenbacher Rudervereins
1874, 'Ritterkeller' in Bad Vilbel, 'Busstop' an der Hauptwache in
Frankfurt am Main.
[...]
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Lange Haare hatten dann fast alle, so auch ich.
Hier bei einer
Verkehrszählung 1971
am Frankfurter Kreuz
Autoradio im 2CV, Fehlanzeige. Man beachte meine beigen Clarks Desert
Boots aus Wildleder mit Gummikreppsohlen.
In den sechziger und siebziger Jahren war dieser Schuh in
alternativen Kreisen und im subkulturellen Milieu populär.
Ein Schnappschuss aus dem Frankfurt des Jahres 1973: Konzert der
'Rollenden Steine' in der Festhalle. Mein
erstes richtiges Konzert: Eigene
Aufnahme vom obersten Rang mit einem Teleobjektiv.
Nein, abgeschlossen habe ich, wie man unschwer erkennen kann, nicht mit
der Beatmusik oder der Versuch, handgemacht wie Jimi Hendrix zu spielen, ist gerade
missglückt.
[...]
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